Mother – Madonna im Deutschen Theater

Wenn jemand Madonna sagt, werde ich hellhörig – und meine Kaufbereitschaft steigt. Mein erstes Madge-Konzert habe ich vor rund 16 Jahren in Berlin erlebt, begleitet werde ich von ihr seit Kindesbeinen an. Natürlich war ich auch Mitglied bei ihrer Fitnessstudio-Kette “Hard Candy”, bis kurz bevor diese pleite ging. Wohin wohl all die Poster und Banner verfrachtet wurden?

Heute: Theater statt Madonnamania

Madonna hat es wieder einmal auf die Bühne geschafft. Diesmal zwar nicht auf die ganz große, dafür aber in die Box des Deutschen Theaters. “Mother” heißt das Stück von und mit Anita Vulesica in dem sie sich mit Madonna und Einfluss der Popgöttin auf ihr und unser aller Leben auseinandersetzt.

Get ready to jump

Die Box ist ein kleiner, fensterloser Raum, in dem rund 70 Menschen Platz finden können. Eine echte BlackBox:  mensch geht rein, weiss nicht was eine*n erwartet. Und mensch tritt verändert heraus.
Der Raum ist dunkel, die Künstlerin setzt sich auf einen Stuhl und spricht gen Scheinwerfer über ihr, Madonnas Leben, ihre inneren Kämpfe und ihre äußere Rezeption. Bühnenbild gibt es keines, es wird nur das Wort “Mother” an die Wand projiziert.
Über die Anekdote, dass Madonna in dem Video zu “Living for Love” Nietzsche falsch geschrieben hat, darüber amüsieren sich die drei Deutsches Theater-Stammrentner königlich. Wenn das der Eisbrecher für alle nicht Nicht-Madonna-Jünger*innen ist, dann soll es so sein.

Kaltherzig, machtgeil und nicht verletzlich

Ist Madonna ein Fembot? Vulesica beantwortet diese Frage eindeutig mit “Nein”. Der Umriss einer egozentrischen Kämpferin wird gezeichnet, die einen steinigen und mutterlosen Weg hinter sich hat. Da oben ist es einsam, Madonna teilt sich die Spitze der erfolgreichsten Tourneen aller Zeiten nur mit alten und mittelalten Männern (richtig, den Stones und U2).

“Warum wollen heute alle falsche Echtheit statt echter Falschheit?”

Die überaus talentierte und stimmkräftige Anita Vulesica zeigt auch, mit welchen sexistischen Plattenbossen und missgünstigen Frauen die “Like a Virgin” von Anfang an zu kämpfen hat. Begleitet wird ihr Weg von einer schadenfrohen, stets nach Skandalen geifernden Presse. Vulesica erweitert das Stück um ihre und Madonnas Innensicht, zumindest auszugsweise.
Die Frau, die es schafft, in rund 80 Minuten 27 Madonna-Nummern (anzu-) singen, kam als Gastarbeiterkind mit 4 Jahren nach Reinickendorf. Die Eltern haben fast rund um die Uhr im Restaurant gearbeitet, während die Tochter weitestgehend auf sich gestellt war. Mit 11 wurde sie allein wieder nach Jugoslawien zur Verwandtschaft geschickt, die Eltern waren der Ansicht, dass sie dort besser lernt.
Hier erfahren wir, was der Grundstein für Vulesicas Madonna-Verehrung ist: Madonna ist im Radio immer bei ihr, egal ob in Berlin oder in Jugoslawien. Und sie regt die Kreativität des Mädchens an.

Kompensation als Motor

Madonnas Mutter starb, als sie fünf Jahre alt war. Sie war eines von sechs Kindern. Elvis starb an ihrem 17. Geburtstag und Madge beschloss an diesem Tag, dass sie mehr wollte, nämlich alles an Aufmerksamkeit und Erfolg, was nur möglich war. Hier gibt es eine Parallele zur Schauspielerin: Vulescia wollte sich auch von ihrem Schmerz in Jugoslawien ablenken. Sie gründete spontan eine Tanzgruppe und schrieb etwas später ein Stück, das in ihrer Schule aufgeführt wurde.
Viele von uns haben einen ganz privaten und einzigartigen Zugang zu Madonna und das arbeitete die Künstlerin an diesem Abend im Deutschen Theater heraus.

Substitute for Love

Die (God-) Mother of Pop steht aber auch für Pop und Party, wie kaum jemand sonst und daher gab es unter den Sitzen in der Box eine individuelle Partytüte für jede*n. Darin enthalten waren u.a. Konfetti, Partyhüte und wahlweise eine Partybrille, ein kleiner Likör oder Sekt.

Mother – Other – Her

Anita Vulescia hat es in “Mother” geschafft, uns  Madonnas und ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Nicht irgendwie, sondern sehr berührend und zugänglich für Madonna-Fans und solche, die es nach dem Stück erst noch werden. Hätte schief gehen können, aber die große Werkkenntnis und Verbundenheit (Liebe?) zur Popsängerin haben dem Stück sehr gut getan.
Am 8. Juli 2017 wird “Mother” zum letzten mal in der Box aufgeführt. Wer es noch nicht gesehen hat, sollte sich die Chance nicht entgehen lassen. Um es mit Patsy Stones (aus “Absolutely Fabulous”) zu sagen:
“Die gute Madonna führt uns an, bis zum Ende unserer Tage”.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert